Resolution der kleinen Stadtteilversammlung “St. Pauli selber machen” zum Thema Drogen

Seit langen Jahren ist der Stadtteil St. Pauli von Gentrifizierung und Vertreibung betroffen — eingeschränkte Angebote und Möglichkeiten für die Anwohner_innen und soziale und medizinische Armutserscheinungen stehen einer massiven Eventisierung und profitorientierter Vermarktung unseres direkten Wohnumfelds gegenüber.

Und jetzt wollen Gewerbetreibende, in erster Linie Wirte, Medien, Polizei und Politik, dass wir St. Paulianer_innen illegalisierte Drogen als unser größtes Problem erkennen.

Also gut: Ja, in unserem Stadtteil wird mit illegalisierten Drogen gehandelt und diese werden hier auch konsumiert, im Vergleich zu Handel und Konsum mit legalisierten Drogen, z.B. Alkohol, jedoch in einem sehr geringen Ausmaß. Dennoch möchten wir uns dazu äußern.

Für uns als Anwohner_innen ist natürlich klar, wo und von wem gehandelt wird, ebenso wie wir Konsument_innen in unserem Wohnumfeld wahrnehmen — sei es in Treppenhäusern oder auf dem Hinterhof. Auf unserer Stadtteilversammlung haben wir übereinstimmend feststellen können, dass der erhöhte Konsum in direktem Zusammenhang mit dem Wegzug der Drogenhilfe- und Konsumeinrichtung Stay Alive steht.

Wie wichtig Drogenkonsumräume für das Überleben von Konsument_innen illegalisierter Drogen sind, zeigt jede Statistik und wir wissen es aus eigener Erfahrung. Allein deswegen muss es einen Drogenkonsumraum mit Angeboten der Überlebenshilfe (medizinische/pflegerische Versorgung, Duschen, Essen, Beratung und Hilfe) hier im Amüsierviertel geben, der — wie der Stadtteil selbst — annähernd rund um die Uhr und vor allem am Wochenende geöffnet hat. Darüber hinaus zeigen alle Erfahrungen, und so auch unsere eigenen, dass Konsumräume wie das Stay Alive eine deutliche Entlastung der Nachbar_innenschaft mit sich bringen.

Zu den Händlern: Menschen, deren Aufenthalt in Hamburg durch die Bundesrepublik illegalisiert und/oder durch rassistische Strukturen massiv erschwert wird, haben sich dazu entscheiden müssen, mit dem Handel kleinster Mengen illegalisierter Drogen ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihre Familien zu unterstützen. Das große Geld machen andere. Dafür nehmen sie unwürdigste Lebens- und „Arbeitsbedingungen“ in Kauf und sind einem permanenten Verfolgungsdruck ausgesetzt — alles für die Mittelschicht in der Stadt, die hier ihre Drogen kauft.

Mit diesen Händlern befinden wir uns im Gespräch, um zu einem nachbarschaftlichen Miteinander zu kommen.

Besonders viele Sorgen drehen sich um die Kinder und Jugendlichen, die hier im Stadtteil wohnen und die Schule besuchen. Doch schauen wir genauer hin, so erkennen wir, dass die realen Gefahren für Kinder auf St. Pauli Armut, schlechte Bildung, Autoverkehr, Umweltverschmutzung, Verdrängung und Ausgrenzung sind. Alle Erfahrungen zeigen, dass die Händler Kinder in Ruhe lassen, dennoch wünschen wir uns einen sensiblen Umgang mit ihnen — aber eben auch von den einfallenden Käufer_innen und der Polizei, deren Maßnahmen zum Teil erschreckend, menschenverachtend und auf Kinder und Jugendliche bestimmt nicht vorbildlich wirken. Wir sehen polizeiliche Maßnahmen als Teil des Problems und nicht als der Teil der Lösung — der steigende Repressionsdruck auf Händler und Konsument_innen verschärft die Situation vor und hinter unseren Haustüren nur.

Und noch etwas: Die geplanten und zum Teil begonnenen bezirklichen Maßnahmen zur Unwirtlichmachung bestimmter Ecken und Gebiete in St. Pauli bedeutet für uns Anwohner_innen Kahlschlag des sowieso schon wenigen Grüns um uns herum und ist ein weiterer „Angriff“ auf unsere Lebensqualität.

WIR FORDERN:

  1. MITBESTIMMUNG DER ANWOHNER_INNEN BEI ALLEN WEITEREN MASSNAHMEN & EINGRIFFEN.
  2. EINE DROGENPOLITIK, DIE DEN KONSUMENT_INNEN UND ANWOHNER_INNEN HILFT.
  3. EIN ENDE DER VERZERRENDEN DARSTELLUNGEN DER SITUATION.

FÜR EIN NACHBARSCHAFTLICHES ST. PAULI FÜR ALLE BEWOHNER_INNEN UND BESUCHER_INNEN.

Die Resolution als PDF-Datei.