Presseerklärung zur Unterbringung der Flüchtlinge und Wohnungslosen in Hamburg vom 27.9.2015

Kleinteilige Unterbringung für Flüchtlinge und Wohnungslose in allen Quartieren Hamburgs!
Beschlagnahme von leerstehenden Wohn- und Büroräumen!
Nachbarschaftliche Lösungen statt anonymer Großunterkünfte!

Zurzeit kommen täglich einige Hundert Flüchtlinge in Hamburg an. Die allermeisten von ihnen sind seit Wochen unterwegs, um Bürgerkriegen, der Verfolgung und unsäglichen sozialen Verhältnissen in ihren Heimatländern zu entfliehen. Diese entwurzelten, z.T. traumatisierten Menschen suchen einen neuen, sichereren Ort und setzen auf die Hilfe und Solidarität anderswo, nicht zuletzt in Hamburg.

Hier stellt sich die Lage zwiespältig dar: Weil der Senat die absehbare Entwicklung lange ausgesessen hat, versucht er jetzt, die Versäumnisse auszubügeln. Wären da allerdings nicht Tausende ehrenamtlicher HelferInnen, die von staatlicher Seite garantierte Unterstützung wäre längst zusammengebrochen. Im Hauptbahnhof z.B. lässt sich seit zwei Wochen niemand aus der Verwaltung sehen, Flüchtlinge und HelferInnen sind sich selbst überlassen.

Auch wenn ein erheblicher Teil der in Hamburg Angekommenen auf andere Städte und Kommunen „weiterverteilt“ und nicht wenige in ihre ach so „sicheren“ Fluchtländer abgeschoben werden, bleiben Tausende Menschen bei uns, für die kurz- und langfristig Wohnraum geschaffen werden muss. Und zwar schnellstmöglich, denn der Winter naht. Die absehbare Fortführung der Lager in „geheizten Zelten“ auch über den Winter kann nicht als menschenwürdig bezeichnet werden. Und eine längerfristige Unterbringung in großen, ja neuen Quartieren – wie z.B. für 3000 bis 4000 Menschen in Neugraben-Fischbek – steht der schnellen Integration der NeubürgerInnen entgegen.

Die UnterzeichnerInnen, engagiert in verschiedenen Initiativen, Einrichtungen und Zusammenschlüssen, plädieren für eine ganz andere Lösung: die vorrangige Unterbringung der Flüchtlinge, der Obdachlosen und WanderarbeiterInnen in kleinteiligen Einheiten vor Ort, d.h. in den verschiedenen Quartieren, verteilt über die ganze Stadt. Nur solche stadtteilverbundenen kleineren Wohneinheiten – gerne in Verbindung mit Stadtteilstützpunkten als Anlaufstellen für die NeuanwohnerInnen – bieten die Chance nachbarschaftlicher Kontakte und dauerhafter Einbeziehung in die städtische Kommunikation. Dabei ist für uns klar: In den Wintermonaten darf auch tagsüber niemand vor die Türen der Unterbringungsstätten, also auf die Straße gesetzt werden.

Tatsächlich stehen in ganz Hamburg Tausende Wohnungen leer, ebenso Hunderttausende Quadratmeter Büroraum. Länger anhaltender Wohnungsleerstand ist eine Ordnungswidrigkeit und kann nach dem Wohnraumschutzgesetz geahndet werden, ebenso die Zweckentfremdung als sog. Ferien- und Monteurswohnungen. Das (kurz vor der Beschlussfassung stehende, veränderte) Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) bietet zudem die Möglichkeit, in angespannten Zeiten leerstehende Büro- und Wohnimmobilien zu beschlagnahmen und mit den o.a. Personengruppen zu belegen. In mehreren deutschen Städten (z.B. Salzgitter) wird über diesen Weg nachgedacht.

Der Hamburger Senat hat nun am 22. September einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Beschlagnahmung von Immobilien zur Umnutzung als Unterbringungsstätten vorsieht. Senator Till Steffen (GRÜNE) will dafür allerdings ausschließlich Gewerberäume wie leerstehende Lager und Hallen in Anspruch nehmen. Das wird zwar kurzfristig eher umsetzbar sein, um die größte Not zu lindern und die Zelte zu vermeiden, bleibt aber eine unzureichende, kaum menschenwürdige Unterbringung. Wir beharren deswegen darauf, dass der Gesetzentwurf voll ausgeschöpft wird und die kleinteilige Unterbringung durch schnellstmögliche Beschlagnahmung von leerstehenden Wohn- und Büroeinheiten anzugehen. Darüber hinaus gibt es etliche Brachen, Parkplätze und andere Flächen, die in verschiedensten Stadtteilen mit kleinen Wohnkomplexen bebaut werden können.

 

Die UnterzeichnerInnen benennen hier exemplarisch länger leerstehende Wohn- und Bürogebäude und -etagen und geeignete Freiflächen. Die Stadt könnte also sofort tätig werden, um die im Winter drohende Zeltunterbringung zu verhindern, über längere Sicht stabile Wohnverhältnisse für die betroffenen Menschen zu schaffen und dadurch die Integration in die Nachbarschaft zu ermöglichen. Folgende konkrete Vorschläge zur Beschlagnahmung, Umnutzung und Bebauung können wir heute schon machen:

Für St. Pauli gibt es diese ersten Vorschläge:

  • Die Initiative St. Pauli selber machen spricht sich für die Beschlagnahme der Häuser Reeperbahn 110 – 114 und deren Herrichtung als Wohnraum aus und – zusammen mit dem Mieterverein Mieter helfen Mieterinnen – Vergleichbares für die Häuser Breite Straße 114-116 sowie sowie das seit vielen Jahren leer stehende, sanierte Eckhaus Schulterblatt/Juliusstraße.

Für Eppendorf schlägt Götz v. Grone von der Bürgerinitiative WIR-sind-Eppendorf vor:

  • Die Beschlagnahmung der leerstehenden Villa am Leinpfad 21 sowie der 32 leerstehenden Wohnungen in der Hegestraße 46 und die Überprüfung der Leerstände in der Hegestraße 44 und 48 sowie Leinpfad 83;
  • die kleinteilige Bebauung des ungenutzten Geländes an der Meenkwiese im Besitz der Familie Ruppert, der Hundeauslauffläche neben der neuen Turnhalle in der Loogestraße sowie des nicht mehr genutzten Sportplatzes des Gymnasiums Eppendorf an der Hegestraße.

Für St. Georg schlägt der Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V. vor:

  • Die Beschlagnahmung der Wohnhäuser bzw. leer stehenden Wohnungen Schmilinskystraße 9 und Koppel 95 sowie der leerstehenden Einheiten in der Büroimmobilie An der Alster 42;
  • die kleinteilige Bebauung der Freiflächen Philosophenteich (am Fußweg zwischen der Ernst-Merck-Straße und dem Ferdinandstor) und Parkplatz Berliner Tor/Jürgen-W.-Scheutzow-Park.

 

UnterzeichnerInnen (die Gruppen dienen lediglich der Beschreibung der Person):

Jürgen Fiedler, Netzwerk Hamburger Stadtteilbeiräte

Götz v. Grone, Bürgerinitiative WIR-sind-Eppendorf

Laura Guse und Steffen Jörg, St. Pauli selber machen

Michael Joho, Michael Schwarz, Maria-Dolores Sola und Gode Wilke, Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V.

Anja Matzke-Schubert und Alfred Schubert, Initiative Refugees Welcome in St. Georg

Marc Meyer, Mieter helfen Mietern – Hamburger Mieterverein e.V.

Kristina Sassenscheidt, Leerstandsmelder.de

4 Kommentare

  1. Eike Ludwig sagt:

    An der Allee Max-Brauer-Allee 220 befindet sich der momentane Bauwagenplatz. Die Wagen sind mit viel Platz drumherum aufgestellt. Meiner Meinung nach heißt es auch hier jetzt uneingeschränkte Solidarität mit den Flüchtlingen beweisen und Randbezirke in Hamburg zu entlasten.
    Wenn man die Bauwagen in Reihe stellen würde oder ins benachtbarte Umland zieht, kann man hier locker eine kleine und sozialverträgliche Unterkunft mit nicht mehr als 400 Personen errichten. Dann ist allen geholfen und die Bauwagenbewohner haben die Chance nun auch einmal der Stadt und der Gemeinschaft etwas von der Solidarität zurück zu geben, die Ihnen die Jahre über entgegengebracht wurde. Jetzt ist die Chance für unsere Bauwagenbewohner und ist an der Zeit zu beweisen, dass man nicht nur nehmen, sondern auch geben kann. In solch einem Gemeinschaftsprojekt kann Solidarität und Integration gelebt werden. Eine einmalige Chance!

    • Klau's sagt:

      Moin Eike,

      was die Solidarität anbelangt, kann ich dir nur zustimmen. Allerdings sehe ich die Unterbringung als problematisch, da auch hier nur Zelte, Hütten etc. in Frage kommen. Geh doch einfach mal beim Zomia-Platz vorbei und rede mit den Leuten, sind ja nette und aufgeschlossene Menschen. Würd mich interessieren, was die Bewohner dazu sagen!
      Viele Grüsse!

  2. […] für rund 1200 Flüchtlinge herrichten, im kommenden Jahr womöglich noch mehr. Initiativen wie “St. Pauli selber machen” fordern, Flüchtlinge in “kleinteiligen Einheiten in verschiedenen Wohnquartieren” […]

  3. Hingucker sagt:

    Wo bleiben die Vorschläge des St.Pauli Bürgerverein? Flüchtlingskinder über den Dom zerren alleine hilft nicht! Im Vorstand sitzen Geschäftsleute und der Bürgerverein ist eng, ganz eng mit dem Verein Hafenmeile und Spielbudenplatz verbandelt. Was taten diese Geschäftsleute bisher? Docks, na gut! 1,2 Nächte! Die nun freie Fläche (Esso Häuser) könnte gut 500 Zugewanderte aufnehmen!